10 Jahre für Nourdeen und Mohamad

Am 22. Oktober 2025 fand in Chania (Kreta) der Prozess gegen Nourdeen und Mohamad, zwei 20-jährige Männer aus dem Sudan, statt.
Beide waren im Februar gemeinsam in Griechenland angekommen – in der Hoffnung auf Sicherheit und eine neue Zukunft. Stattdessen wurden sie bei ihrer Ankunft verhaftet und haben bereits zehn Monate in Untersuchungshaft in der Jugendstrafanstalt Avlona in Athen verbracht.

Ihnen wurde vorgeworfen, die „unerlaubte Einreise“ von 55 weiteren Personen erleichtert zu haben – nur weil sie während der Überfahrt das Boot steuerten. Dieser Vorwurf wird in ganz Griechenland systematisch erhoben, um Menschen auf der Flucht zu kriminalisieren, die aus Not Verantwortung übernehmen. Auf nahezu jedem Boot wird mindestens eine Person festgenommen; jedes Jahr landen unzählige Menschen im Gefängnis – bestraft allein dafür, dass sie angekommen sind und anderen geholfen haben.

Im Gegensatz zu den Gerichten in Heraklion oder Samos hat das Gericht in Chania bislang nie anerkannt, dass Geflüchtete nicht kriminalisiert werden dürfen, wenn sie Boote steuern, auf denen sie selbst fliehen mussten.
Auch gestern war das nicht anders. Die Staatsanwaltschaft zeigte keinerlei Verständnis für die Realität von Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, und forderte die härteste Strafe.

Dank der unermüdlichen Arbeit unserer Anwältin erkannte das Gericht jedoch mehrere mildernde Umstände an.
Mohamad und Nourdeen wurden schließlich zu zehn Jahren Haft (filakisi) verurteilt – was bedeutet, dass eine vorzeitige Entlassung nach zwei Fünfteln der Zeit möglich ist, also etwa nach vier Jahren, und sich die Haftzeit zusätzlich verkürzen kann, wenn sie im Gefängnis arbeiten oder studieren.
Beide haben außerdem das Recht, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

Wir sind erleichtert, dass sie eine starke rechtliche Verteidigung hatten und das Urteil nicht so hart ausfiel, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert.
Gleichzeitig ist es zutiefst beunruhigend, dass Menschen in identischen Situationen in Griechenland völlig unterschiedliche Urteile erhalten: Manche werden freigesprochen, andere zu mehreren Jahrzehnten Haft verurteilt – für genau dasselbe.

Diese Verhaftungen und Prozesse werden als „Kampf gegen Kriminalität“ dargestellt, sind in Wahrheit jedoch ein Instrument der Abschreckung, der Stigmatisierung und der Statistikproduktion – nicht der Gerechtigkeit.
Sie sind Ausdruck eines rassistischen und willkürlichen Systems, das nicht die Ursachen von Flucht bekämpft, sondern diejenigen bestraft, die gezwungen sind, sich zu bewegen.

Zur selben Zeit fand auch auf der Insel Samos der Prozess gegen S.G., einen 21-jährigen Mann aus dem Sudan, statt.
Weil er sich die Überfahrt nicht leisten konnte, musste er selbst das Boot steuern – eine Reise, die in einer tragischen Schiffskatastrophe endete, für die er nun verantwortlich gemacht wird. In einem perversen Akt der Täter-Opfer-Umkehr wurde er wegen „Schleusung mit Todesfolge“ angeklagt – von denselben Staaten, die Menschen erst in die gefährlichen Boote zwingen.

Das Problem liegt nicht darin, dass „die falschen Personen“ verhaftet werden.
Das Problem sind diese Gesetze selbst.
Wer argumentiert, sie würden nur „falsch angewendet“, übersieht, dass die Kriminalisierung von sogenannter Schleusung Teil der Kriminalisierung von Migration an sich ist.

Ja, es gibt auch Menschen, die andere ausnutzen – so wie es schlechte Taxifahrer oder Vermieter gibt.
Aber der bezahlte „Schleuserdienst“ existiert nur, weil sichere und legale Wege verwehrt werden.
Solange Bewegungsfreiheit illegalisiert bleibt, werden Menschen weiterhin ihr Leben riskieren – und andere werden weiterhin dafür bestraft werden, dass sie helfen.

Wir werden weiterkämpfen – innerhalb und außerhalb der Gerichtssäle – bis diese rassistische und willkürliche Kriminalisierung endlich endet.

STOPPT DIE MASSENINHAFTIERUNG VON MENSCHEN AUF DER FLUCHT!