Der 18-jährige Abdulrahman und ein weiterer sudanesischer Jugendlichen vor Gericht

Kreta, GriechenlandAm 21. Mai 2025 steht der 18-jährige Abdulrahman S. aus dem Sudan gemeinsam mit einem weiteren sudanesischen Teenager vor Gericht. Beiden wird Schleuserei vorgeworfen. Abdulrahman setzte sich für seinen Mitreisenden ein – und dennoch wurden beide angeklagt. Ihre Geschichte ist ein eindrückliches Beispiel für die grausame Absurdität dieser Kriminalisierungspraxis und zugleich für die Solidarität der Betroffenen.

Abdulrahman erreichte die Insel Kreta am 13. Dezember 2024, nur zwei Monate nach seinem 18. Geburtstag. Er gehörte zu einer Gruppe von 45 Personen, die die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer wagten.

Vor der Reise lebte er mit seinem Bruder in Libyen. Libyische Milizen entführten seinen Bruder, und erpressten Abdulrahman, das Boot zu steuern – ein erschreckend häufiges Erlebnis für Migrant*innen, die von aus Libyen aufbrechen, wo Entführungen und Lösegelderpressungen weit verbreitet sind.12

Bei der Ankunft in Kreta wurden Abdulrahman und ein weiterer Teenager, der während der Überfahrt kleinere Aufgaben übernommen hatte, festgenommen. Die Worte, die Abdulrahman bei seiner ersten Vernehmung äußerte, wissend, dass auch der andere Junge festgenommen wurde, zeigen nicht nur die Absurdität dieser Strafverfolgung, sondern auch seinen Mut und Solidarität:

„Bitte, der Junge hat nichts getan, er ist nur ein Passagier. Ich habe ihn nur um Hilfe gebeten, während ich das Boot gesteuert habe, weil wir große Wellen hatten – er sollte mir Wasser geben, beim Nachtanken helfen – weil ich das einfach nicht alles alleine schaffen konnte. Nicht mehr. Ich habe auch alle anderen an Bord um Hilfe gebeten.“

Trotz des immensen Drucks und der drohenden eigenen strafrechtlichen Verfolgung setzte sich Abdulrahman für seinen Mitpassagier ein und versuchte dessen Kriminalisierung zu verhindern. Dennoch wurde der Junge verhaftet und als Co-Pilot und Komplize angeklagt – was viel über die Art dieser Strafverfolgung aussagt:

Die Anti-Schleuser-Gesetgebung soll angeblich dem Schutz von Migrierenden vor Ausbeutung und Gewalt dienen – mit noch härteren Strafen insbesondere dann, wenn das Leben von Menschen während der Resie gefährdet wurde. Es ist entsprechend zutiefst heuchlerisch und zynisch, dass mithilfe dieser Gesetze gerade diejenigen kriminalisiert werden, deren Verhalten genau darauf abzielte, die Sicherheit der Passagier*innen zu gewährleisten.

Was hätte der Junge tun sollen? Abdulrahman nicht helfen – und damit das Leben von sich selbst und allen anderen an Bord riskieren? Es geht ganz offensichtlich nicht darum, inwiefern Leben gefährdet wurden oder nicht, sondern vordergründig darum, ob jemand in irgendeiner Weise bei der Ankunft in Europa geholfen hat.

Abdulrahman und sein Mitangeklagter sind zwei von über 50 Teenagern im Alter von 15 bis 21 Jahren, die vor dem Krieg im Sudan geflüchtet sind und derzeit im Jugendgefängnis von Avlona sowie dem Gefängnis in Malandrino wegen Schleuserei in (Untersuchungs-)Haft sind, nachdem sie mit dem Boot ankamen.

Diese Kriminalisierung muss ein Ende haben – ein für alle Mal.

Wir fordern:

  • das Fallenlassen der Anklage gegen Abdulrahman und seinen Mitangeklagten im Einklang mit internationalem Recht
  • Freiheit für alle, die wegen „Bootsfahrens“ inhaftiert sind
  • ein Ende der Kriminalisierung von Migration und der Inhaftierung von Menschen auf der Flucht.

Nach Protesten gegen die schlechten Haftbedingungen im Gefängnis von Avlona wurden Abdulrahman und etwa die Hälfte der inhaftierten Jugendlichen in das Gefängnis von Malandrino tief im Landesinneren verlegt. Seitdem ist die Kommunikation mit ihnen stark eingeschränkt.


  1. European Centre for Constitutional and Human Rights (2021): „No Way Out: Migrants and Refugees Trapped in Libya Face Crimes Against Humanity„. ↩︎
  2. UNHCR (2024): „On this Journey, no one cares if you live or die. Abuse, protection, and justice along routes between East and West Africa and Africa’s Mediterranean coast„. ↩︎

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